Uncle Siggs kleine Politik-Stunde

Zurück

 

 

zu SZ vom 6. Oktober 2004: Geburtenrate auf dem Tiefpunkt

Dresden, den 7. Oktober 2004
Veröffentlicht SZ am 12.10.2004

 

Es war allzu naheliegend, der DDR das Schild Mangelgesellschaft umzuhängen - negativ gemeint, versteht sich; im Blick dabei fehlende Armaturen oder Bananen, dazu Menschenschlangen und Wartezeiten auf alles Mögliche. Mangel an Kindern aber gab es keinen. Nach reichlich Erfahrungen in beiden Gesellschaften dämmert nun allerdings der Verdacht herauf, dass es uns heutzutage in eine andere Mangelgesellschaft verschlagen haben könnte: nicht nur knappe und leere Kassen allerorts, sondern zunehmende Kinderlosigkeit, zu wenig Kindergartenplätze, mangelhafte Schulbildung, fehlende Lehrstellen, Mangel an Sportplätzen, Stadien und Schwimmhallen. Sind wir die neue Mangelgesellschaft? Möglicherweise für Geringverdiener, denn für sie sind verständlicherweise erst eigene Kinder der ganze Reichtum.

Doch unsere heutige Überflussgesellschaft wird auch geprägt von zahllosen Schönen und Reichen, Klugen und Gesunden, Privilegierten und Aufsteigern, die Waschbrettbäuche pflegen, sich über Knackärsche definieren und Brustvergrößerungen zelebrieren. Leider nicht für Schwangerschaften und Babystillen. Im Gegenteil: man lehnt es oft sogar ab, sich zu befruchten und zu vermehren, obwohl nur das Beste zu vererben wäre. Doch warum verweigern sich so viele Besserverdienende, die Ewigjungen, die Sportgestählten, die Hochgebildeten, die Weitgereisten und Weltbekannten? Frauen wie Männer! Warum ist für diese das Vater- bzw. Muttersein oft kein Lebensziel mehr? Warum genügt schon ein Hund im Haus anstatt einer Kinderschar? Warum haben sie kein Interesse daran, mit ihrem eigenen Körper etwas Gültiges herzustellen? Warum sind ihnen Fernsehauftritte, Filmrollen, Turniersiege, Karriereerfolge wichtiger? Warum haben Traumhaus, Traumauto und Traumreisen Priorität vor dem Traum von eigenem Nachwuchs? Warum mögen sie lieber Nächte in der Promi-Bar als am Bett ihrer Kinder? Warum befolgen sie eifrig alle Methoden zur Orgasmussteigerung und gleichzeitig alle Verhütungsempfehlungen? Warum wollen sie mit ihrer eigenen Präsenz mehr wirken als mit ihren Nachkommen? Fragen über Fragen an die Reichen und Schönen in dieser Überflussgesellschaft. Sie könnten Kinderfrauen, Klavierlehrer, Sportvereine, Spezialschulen getrost allein finanzieren - die Ausrede „kein Geld" gilt für sie nicht. Ist ihnen Menschliches so fremd geworden?


Es ist doch alles ganz einfach..

warum kommt niemand darauf?...

Muss ich denn alles alleine ausdenken?..